Persönlicher Kommentar
Der nicht gegebene Handschlag ist nicht das Problem, Frau Baerbock!
Syrien, Israel, feministische Außenpolitik: Kommentar über die hoffentlich letzte offizielle Reise der deutschen Außenministerin
Am dritten Tag des Jahres 2025 flog unsere feministische Außenministerin mit ihrem französischen Amtskollegen Jean-Noel Barrot als offizielle Vertretung der Europäischen Union nach Damaskus, um mit dem militärischen „Befreier“ Ahmed al-Sharaa diplomatische Beziehungen aufzunehmen und sogleich mit einem Geldgeschenk in Millionenhöhe im Gepäck die Förderung der Demokratie durch die islamistische Übergangsregierung anzukurbeln. Warum die EU gerade das politische Fliegengewicht Annalena Bearbock nach Syrien schickte bleibt das Geheimnis der Brüsseler Behörde. Warum Frau Baerbock bei dieser Reise augenscheinlich auf ihren Beraterstab in Bekleidungsfragen verzichtete und nur ihre Visagistin mitnahm, bleibt das Geheimnis unserer Noch-Außenministerin. Warum es plötzlich einen Hype um einen nicht gegeben Handschlag gibt, bleibt das Geheimnis der Kommentatoren in den Feuilletons und den sozialen Medien. Das größte Geheimnis bleibt aber, warum Baerbock und Barrot das erste offizielle Aufeinandertreffen von westlichen EU-Politikern und (vorerst) gemäßigten Islamisten als perfekte Gelegenheit verstrichen ließen, auf das verbürgte Grundrecht der Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit in Demokratien hinzuweisen. Bestes Beispiel – und mittlerweile vielfach als Symbol des Widerstandes gegen Einschränkungen der Meinungsfreiheit erinnerten Ereignisses – ist der Jahrestag des islamistischen Anschlages auf das Satiremagazin Charlie Hebdo im Jahr 2015. Wer, wenn nicht der deutsch-französische, republikanisch-demokratische „Motor“ der EU, sollte an diesen Tag des 7. Januar 2015 erinnern? Die linke Ampelregierung, die sich 2021 die „Liberalisierung“ der Gesellschaft und den Kampf gegen noch bestehende, letzte gesellschaftliche Konventionen zum Ziel gesetzt hatte, gibt sich bei der Frage nach Akzeptanz der Kunst- und Meinungsfreiheit unter der muslimischen Bevölkerung in Europa auffällig kleinlaut. Während gläubige Christen seit Jahrzehnten mit blasphemischen Aktionen und Darstellungen im westlich-liberalen Kunst- und Kulturbetrieb konfrontiert werden und das unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit klaglos akzeptieren müssen, zeigt sich die entlarvende Doppelmoral linker atheistischer Politiker darin, indem solche essentiellen Themen mit Verweis auf ein konkretes Ereignis in Paris vor 10 Jahren, vorsichtshalber nicht angesprochen werden. Genau in dieser Frage aber liegt der Gradmesser, welche Haltung die HTS-Übergangsregierung zur Staatsform „Demokratie“ einnimmt. Anstatt sich also über eine angeblich unterlassene Begrüßungsgeste in einem traditionell islamischen Kulturkreis aufzuregen (Presse) und hinterher pseudodidaktische Erklärungen dranzuhängen (A. Baerbock: „War mir klar“) hätte es von Anfang an ganz anders laufen müssen: Baerbock schreitet mit einem schicken knielangen Mantel oder mindestens einem Blazer über ihrem weißen Disco-Freizeit-Outfit mit ihrem französischen Amtskollegen über den roten Teppich; Barrot gibt Baerbock gut sichtbar den Vortritt bei der öffentlichen Begrüßung mit dem islamistischen Rebellenführer. Verweigert al-Sharaa der deutschen Außenministerin die ausgestreckte Hand, dann verweigert im Umkehrschluss der französische Außenminister den Handschlag al-Sharaas. In diesem Fall gäbe es lediglich einen Austausch netter diplomatischer Floskeln und unverbindlicher Kennlerngespräche, aber keinen EU-Cent an „demokratischer Aufbauhilfe“ für den syrischen Staat. Dennoch stellt der unterlassene Handschlag des HTS-Rebellenführers keine bewusste Provokation dar: andere Länder, andere Sitten. Der Außenministerin wurde von al-Sharaa auch ohne Handschlag mit alternativen Gesten Respekt erwiesen, wie offizielle Videos beweisen. Beide europäische Politiker sind zudem als Gäste in einem traditionell muslimischen Land empfangen worden. Anders wäre die Ausgangslage, wenn al-Sharaa in einem europäischen Land als Gast empfangen worden wäre. In Europa hat er als offizielle Vertretung des syrischen Staates jeder Frau und jedem Mann auf dem poltischen Parkett zur Begrüßung die Hand zu reichen, ausnahmslos! Die Handschlag-Debatte in Damaskus ist also wieder mal viel heiße Luft um Nichts!
Leider wurde aber – wie so oft – in naivem Optimismus und „Gutmenschentum“ vorauseilend finanzielle Entwicklungshilfe geleistet, ohne die nächsten Handlungen der Übergangsregierung abzuwarten und Worten des Rebellenführers zunächst konkrete Taten folgen zu lassen. Die Installation von Frauen an die Spitze dreier Ministerien bleibt vorläufig reine Symbolpolitik; es wird sich zeigen ob Syrien wieder zu einem Staats- und Bildungswesen zurückkehrt, in dem Mädchen und Frauen die gleichen Chancen erhalten wie ihre männlichen Altersgenossen. Es kann zumindest ausgeschlossen werden, dass Syrien zu einem Afghanistan 2.0 verfällt, denn dafür ist der allgemeine Bildungsstand innerhalb der Bevölkerung erfreulicherweise zu hoch. Viel wichtiger als die Gleichstellungsfrage bei den Geschlechtern ist mit Blick auf das multiethnische Land die Frage, wie es mit kulturell-sprachlichen und religiösen Minderheiten weitergeht. Dies führt zu weiteren Irritationen bzgl. deutscher „feministischer“ Außenpolitik unter Baerbock. Hier ist unsere internationale Chefdiplomatin wieder einmal ordentlich ins Fettnäpfchen getreten. Zwar betonte auch sie die Notwendigkeit der territorialen Souveränität Syriens – als Völkerrechtlerin und Ministerin des Auswärtigen Amtes hätte sie jedoch wissen müssen, dass der Status Quo in Bezug auf den Golan von gefühlt 99% aller Syrer (inklusive der liberalen und demokratisch gesinnten Bevölkerungsschichten) langfristig nicht akzeptiert werden wird. Ahmed al-Sharaa, der als Islamisten-Rebell den Kampfnamen Mohammed al-Dschaulani wählte und somit sehr klar seine Herkunft betonte, wird über kurz oder lang das Ziel vor Augen haben, die südliche syrische Region Golan wieder zurück unter syrische Verwaltung zu bekommen. Die Heimat seines Großvaters wurde 1967 von Israel besetzt und später annektiert und befindet sich seither unter israelischer Verwaltung. Dieses kollektive nationale Trauma, das alle Generationen von Syrerinnen und Syrern seit der Annexion in (stiller) Antipathie gegen den Staat Israel verbindet, hätte der Ausgangspunkt des Gespräches während des Treffens mit dem HTS-Führer werden müssen. Die Flucht- und Verlusterfahrungen von Heimat verbindet die große Mehrheit der syrischen Bevölkerung wiederum mit dem kollektiven Trauma der Palästinenser. Baerbock und Barrot haben die Chance verstreichen lassen, bei ihrem Besuch in Damaskus Ahmed al-Sharaa auf die Wiederaufnahme von Friedensgesprächen mit Israel zu drängen um zeitnah einen Friedensvertrag zwischen Syrien und Israel auszuhandeln. Israel kommt die zweite Amtszeit Donald Trumps nun sehr gelegen und wird sich in Sicherheit wiegen, seine völkerrechtswidrige Siedlungspolitik auch auf den Golanhöhen weiter voranzutreiben. Die Frage bleibt, warum der mittlerweile gemäßigt auftretende Rebellenführer für Neuwahlen in Syrien ein Zeitrahmen von bis zu vier Jahren festlegt. Ist es nicht seine Rolle als nationaler „Befreier“, dem syrischen Volk ihr Staatsgebiet vollständig zu übergeben? Erwartet al-Dschaulani von den nach Europa geflüchteten Syrern nicht auch die Rückkehr in die von Israel besetzte syrische Golan-Region? Hätte Baerbock nicht öffentlich darauf hinweisen müssen, dass das syrische Territorium nicht militärisch sondern nur durch Friedensverträge mit den Nachbarländern Souveränität erhalten kann? Werden die Euro-Millionen an Aufbauhilfe tatsächlich für humanitäre Zwecke für die Zivilbevölkerung genutzt, oder rüstet der Rebellenführer damit eine islamistische Miliz zur militärischen Befreiung des Golan in den kommenden Jahren auf?
Der Besuch unserer feministischen Außenpolitikerin in Damaskus wirft mehr Fragen auf als das er Klarheiten schafft. Der Gradmesser für diplomatische Beziehungen mit Europa, insbesondere mit Deutschland, sollten keine ritualisierten Begrüßungsgesten sein, sondern die Bereitschaft der syrischen Übergangsregierung, die Meinungs-, Kunst- und Pressefreiheit auch außerhalb der eigenen kulturellen Einflusssphäre zu respektieren, islamistischen Terror in Europa und dem Rest der Welt zu verurteilen, radikale Islamisten im nunmehr befreiten Syrien zu bestrafen und diplomatischen Verhandlungen mit Israel um eine friedliche Rückgabe der Golanhöhen zuzustimmen. Wenn die Sicherheit Israels eine deutsche Staatsräson ist, dann muss am Ende ein Friedensvertrag mit Sicherheitsgarantien für Israel stehen. Natürlich ist dieses Vorhaben drei Nummern zu groß für unsere permanent sich selbst überschätzende Noch-Außenministerin. Aber den Grundstein für eine nachhaltige Deeskalationsstrategie im Nahen Osten hätte man beim Antrittsbesuch in Damaskus am 3. Januar 2025 legen müssen.
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