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Persönlicher Kommentar

Politik ohne Bürgernähe ist möglich, aber sinnlos.

Ein Kommentar zum Umgang der etablierten Parteien mit den Wahlergebnissen und ihren Wählern.

Dr. Peter Weyell

Dr. Peter Weyell - Foto: ÖDP

Der gewählte Titel stellt einen guten Ausgangspunkt dar, um über den Umgang mit den aktuellen Wahlergebnissen durch die etablierten Parteien zu sprechen, insbesondere unserer aktuellen Regierungsparteien. Es soll die Frage gestellt werden, ob die Regierungsparteien endlich mal anfangen wollen, mehr Politik in Übereinstimmung mit den Interessen der Bürger/Wähler umzusetzen oder ob sie in Arroganz und Ignoranz am Bürger vorbei regieren, mit am Ende immer schlechteren Wahlergebnissen.

Betrachtet man die Ergebnisse der letzten Bundestagswahlen und der Europawahlen (Tabelle 1) kann man aktuell nur von einem Gewinner sprechen, der AFD. CDU/CSU haben nach 16 Jahren unter Angela Merkel in den Bundestagswahlen an Zustimmung verloren, was 2021 die Ampelkoalition ermöglichte. Die Flutkatastrophe im Ahrtal, verbunden mit einem höheren Zuspruch für Umweltschutzthemen verstärkte zudem 2021 die Zustimmung für die Grünen und eine Ampelkoalition. Auf EU-Ebene haben CDU/CSU und FDP einen nahezu gleichbleibenden Zuspruch, die SPD verliert kontinuierlich und die Grünen haben nach 3 Jahren Ampel-Regierung wieder erheblich an Zuspruch verloren.

Tabelle 1: Auszug der Wahlergebnisse der letzten Bundestagswahlen und Europawahlen.

Bundestagswahl [%]CDU/CSUSPDB'90/GrüneFDPAfDWahlbeteiligung
201341,525,78,44,84,771,5
201732,920,58,910,712,676,2
202124,225,714,711,410,476,4
Europawahl [%]      
201435,327,310,73,47,148,1
201928,915,820,55,411,061,4
202430,013,911,95,215,964,8

Es besteht aktuell eine erhebliche Frustration. Mich als Bürger würde eine Politik überzeugen, wo ich im Alltag eine Verbesserung für mein persönliches Leben wahrnehme. Stattdessen setzt man sich mit immer höheren Lebenserhaltungskosten auseinander („Wärme und Mobilität dürfen für Normalverbraucher nicht zum Luxus werden“ - WELT), hört von Straftaten zugewanderter Mitbürger (Harald Martenstein: Diese Stimmung ist die Schuld von Politikern, die ihren Job nicht machen - WELT)) und ist durch den Ukraine-Krieg beunruhigt.

Bieten die Regierungsparteien für diese bürgernahen Themen Lösungen an? Nein! Die Cannabis-Legalisierung und ein Selbstbestimmungsgesetz scheinen höhere Priorität zu haben. Mich als Wähler überzeugen diese „Regierungserfolge“ nicht! Entsprechend ist der Erfolg der AFD für mich nachvollziehbar, auch wenn ich ihn nicht gutheiße (AfD ist Deutschlands neue Arbeiterpartei - WELT). Es ist vor allem bemerkenswert, dass die AFD bei der aktuellen Europawahl zweitstärkste Kraft wurde (Tabelle 1) trotz skandalträchtiger Persönlichkeiten, wie Björn Höcke, Maximilian Krah und Petr Bystron.

Aber die ganze Absurdität zeigt sich in den Reaktionen auf die Wahl. Die SPD hat ihr historisch schlechtestes Ergebnis bei einer bundesweiten Wahl seit 1891. Kann man mit einem Statement des Kanzlers rechnen? „Nö.“ Ricarda Lang wird als „Aufsteigerin des Jahres“ gefeiert, trotz dass sie als Teil der Parteispitze der Grünen das desaströse Ergebnis bei der EU-Wahl (-8.6%, Tabelle 1) mitzuverantworten hat. „Absteigerin des Jahres“ wäre vor diesem Hintergrund etwas passender! Lars Klingbeil denkt, „dass das Ergebnis der Europawahl viele Menschen noch mal wachrüttelt, da die Nazis (Anm.: Gemeint ist die AFD) bei dieser Wahl stärker geworden sind […].“ Die Wahlbeteiligung ist inzwischen wieder fast so hoch (64.8%, Tabelle 1), wie im Gründungsjahr der EU 1979 (65.7%). Meint Herr Klingbeil diese Stimmen wurden nicht vom Wähler bei vollem Bewusstsein abgegeben? Die AFD-Wähler geben mit ihrer Stimme ihre Meinung zur aktuellen Politik schon sehr bewusst kund und es sollte sich ernsthafter damit auseinandergesetzt werden, als das einfache Feindbild der Nazis auszuspielen. Dies zeugt von Überheblichkeit und kann der AFD nur noch mehr Zuspruch bringen. Saskia Esken äußert: Die AFD hat „keine Lösungen zu bieten für die wirklich wichtigen Probleme dieses Landes“. Wen soll das überzeugen? Es würde helfen, wenn die Regierungsparteien mal mehr über eigene Lösungsvorschläge sprechen würden, wofür sie gewählt werden wollen. Der Bürger möchte durch ein inhaltliches Angebot überzeugt werden seine Stimme einer Partei zu geben!

Der Landwirtschaftsminister Hr. Özdemir war an der Stelle mit etwas mehr Realitätssinn im ZDF-Morgenmagazin zu hören: „Wir“ müssten „den Leuten deutlich machen: Wir können Sicherheit, wir können Zuwanderung steuern, wir können das Thema Wirtschaft und Klimaschutz zusammenbringen.“ Entweder „können wir das, dann werden wir wieder gestärkt“, oder „wir können das nicht, dann verlieren wir halt zu Recht“.

Fazit: Die aktuelle schwierige politische Lage erfordert Realismus, Pragmatismus, Transparenz, Ehrlichkeit und Bürgernähe. Wenn die etablierten Parteien nicht auf die Themen der Wähler eingehen, ist die Abwahl als Ende auf kurz oder lang absehbar und das politische Feld wird der AFD überlassen. Ein Neuanfang kann nur gelingen, wenn man sich mit den Bürgern auseinandersetzt und die Themen der bürgerlichen Mitte adressiert werden. Ein konkretes und alternatives politisches Angebot würde die Wähler sicher mehr überzeugen sowie die AFD inhaltlich stellen bzw. entlarven.

Autor/in:
Dr. Peter Weyell
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Wichtiger Hinweis:
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