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Inklusives, familien- und generationengereches Erfurt

Als Ökologische Demokraten fühlen wir uns dem ökosystemischen Ansatz von Uri Bronfenbrenner verbunden und sehen Bindung und Bildung als Fundament gelungener gesellschaftlicher Entwicklung vom Individuum über die Familie, Kindergarten, Schule, Arbeitsplatz, Partei, Gemeinde, Stadt und so weiter (mehr hierzu auch im Grundsatzprogramm der ÖDP)1. Wir erleben aber, dass sich im Besonderen junge Familien zunehmend unter Druck fühlen, ihren Kindern ein sicheres, geborgenes und auch materiell abgesichertes Aufwachsen zu ermöglichen. Gerade dann sind wir alle darauf angewiesen, dass unsere Kinder in Krippe, Kindergarten und Schule eine angemessene Zuwendung erfahren. Das Ländermonitoring zum frühkindlichen Bildungssystem der Bertelsmann-Stiftung2 3 legt nun wiederholt nahe, dass eine „Kinder-Verwahrung“ durch einen ungünstigen Personalschlüssel beziehungsweise Betreuungsquotienten in vielen Thüringer Krippen und Kindertagesstätten der Regelfall und nicht die Ausnahme ist. Erfurt ist hier leider keine Ausnahme und auch in Erfurt sehen die Träger und Wohlfahrtsverbände, wie im Artikel von Elena Rauch in der Thüringer allgemeinen vom 16.11.2023 „Thüringens Wohlfahrtsverbände und Gewerkschaft fordern besseren Betreuungsschlüssel in Kindergärten4 5 geschildert, die Betreuungssituation als bedenklich an. Die Folgen einer unzureichenden Fachbetreuung können für die Entwicklung der Kinder dramatisch sein (siehe etwa die Beiträge des Deutschlandfunks unter „Fehlendes Personal in der Kita. Wer betreut unsere Kinder?“)6. Aus breit angelegten Längsschnittuntersuchungen des Early Child Care Research Network des National Institute of Child Health and Human Development (1991-2007) oder der Haifa-Studie (Sagi, A., et al. 2002 und Love, J. M., et al. 2003) können wir schließen, dass eine unzureichende oder schlechte Fremdbetreuungsqualität die Gefahr einer andauernden Bindungsstörung substanziell erhöht und damit erhebliche Folgen für die kognitive Entwicklung und psychische Gesundheit der Kinder haben kann. Kurz gesagt: Verwahr-Betreuung schädigt unsere Kinder anhaltend! Wenn Minister Holter hervorhebt, dass in Thüringen mit die meisten Vorschulkinder überhaupt betreut würden und es mit zehn Stunden den höchsten Betreuungsanspruch im bundesweiten Vergleich gäbe, bereitet uns dies unter den genannten Bedingungen erhebliche Sorgen.

Auf Landesebene fordert die ÖDP Mittelthüringen daher, die elterliche Wahlfreiheit über Betreuungsformen zu respektieren und zu fördern. Wir sehen hier ein steuer- und sozialversicherungspflichtiges Erziehungsgehalt, die Verbesserung von Teilzeitmodellen für Eltern und die qualitative Verbesserung des Betreuungsangebots in vorschulischen und schulischen Einrichtungen als geeignete Maßnahmen an und verweisen hier auch auf den gegenwärtigen Stand der Bindungs- und Entwicklungsforschung in Bezug auf außerfamiliäre Betreuung7. Gleichermaßen fordert die ÖDP ein Pflegegehalt für alle, die ihre Angehörigen zu Hause betreuen, damit diese in Würde leben können. Die Gewährung des Pflegegehalts soll nicht von der Art der Betreuung (häusliche Betreuung oder Heimunterbringung) abhängig sein. Maßstab hierfür darf nur das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit sein. Der Aufwand für die verschiedenen Pflegestufen darf hierbei nicht nur wirtschaftlich berechnet werden. Pflegearbeit verdient Anerkennung und soziale und wirtschaftliche Absicherung.

In Erfurt streben wir bezüglich der Betreuungsangebote einen Betreuungsschlüssel von 2,0 für Kinder bis zwei Jahren und 3,0 bei Kindern bis drei Jahren sowie bis maximal 7,0 bis zur Einschulung in Abhängigkeit von individuellen Förderbedarfen in der Gruppe an. Ein allgemeines Entwicklungsmonitoring beziehungsweise eine Entwicklungsdiagnostik sollte regelhaft erhoben werden und jedes Kind entsprechend dieser Erhebung bei Bedarf frühzeitig gefördert werden. Die Kommune kann hier für die Umsetzung finanziell wie organisatorisch die Sorge tragen! Wir setzen uns auch für die qualitative Aufwertung der Schuleingangsuntersuchungen ein. Dies beinhaltet im Besonderen ein frühes diagnostisches Monitoring und eine fachlich breite Expertise des Entwicklungsstandes des jeweiligen Kindes. Sorgen wir dafür, dass sich unsere Kinder in Thüringen und Erfurt „gut aufgehoben fühlen“!

Die Lernumgebung für unsere Schülerinnen und Schüler sollte die gesellschaftliche Wertschätzung gegenüber den Erfurter Kindern und Jugendlichen widerspiegeln, allein der bauliche Zustand vieler Schulgebäude setzt hier ein völlig anderes Signal. Als Ökologische Demokraten ist es uns auch ein Anliegen die Entwicklung der Schulinfrastruktur partizipativ zu gestalten und vor allem Schülerschaft, Lehrende und Eltern daran angemessen zu beteiligen. Dort, wo es unter anderem baulich möglich ist, werben wir für die Gestaltung eines modernen, barrierefreien und  vernetzten Schulcampus eingebunden in sein Quartier. Wir wollen mit der Stadt- und Schulgesellschaft diskutieren, ob durch die perspektivische Zusammenführung bisher getrennter Schulzweige auch ein längeres gemeinsames Lernen und eine intelligente und nachhaltige Ressourcennutzung erleichtert werden können. Die Diskussion um die Gründung des Gymnasium 11 in der Greifswalderstraße an Stelle einer Regelschule nehmen wir als segregierend wahr und sprechen uns für ein integriertes Schulkonzept aus, das nicht in Hauptschule, Realschule und Gymnasium denkt, sondern in Teilen eines Schulcampus und einer Schulgemeinschaft. Auch baulich sind Schulen ein Modell der und für unsere Stadtgesellschaft! Klimagerechter Neu- und Umbau ist hierbei für uns kein Randthema! Ein konsequentes klimaangepasstes und nachhaltiges Schulgebäude ist auch ein starkes Versprechen an die Schülerschaft, Sorge für deren Zukunft ernst zu nehmen! Zum Thema Schulinfrastruktur gehört aus Sicht der ÖDP auch der sichere und nachhaltige Schulweg. Wir wollen uns dafür einsetzen, dass im Besonderen Schülerinnen und Schüler, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV ihren Schulweg zurücklegen, dies sicher tun können. Hier halten wir die Beteiligung der Schülerinnen und Schüler neben den Eltern für einen guten Weg, um gegebenenfalls für alle tragbare Veränderungen auf den Weg zu bringen.

Barrieren stehen einer gerechten Teilhabe viel zu häufig im Weg und selten sind diese Barrieren rein baulicher Natur. Die Stadt Erfurt steht aus unserer Sicht in der Verantwortung, die Voraussetzungen für gelungene Inklusion in ihrem Einflussfeld zu schaffen. Zum Beispiel in der Personalqualifizierung und Akquise für Schulbegleiter und Integrationshelfer sehen wir — in Abstimmung mit Betroffenen und Trägern — eine Koordinierungsaufgabe der Kommune. Leider ist es nicht selbstverständlich, dass Schulen, Betroffene und Eltern bei Problemen im Zusammenhang mit inklusiver Beschulung einen zeitnahen und niedrigschwelligen Zugang zu Beratung, Koordination und ergänzenden Hilfen haben. Dies übersteigt auch gegenwärtig die Ressourcen der Kommune und wir sehen Land und Bund in der Verantwortung, die Kommunen in die Lage zu versetzen hier tätig zu werden - die ÖDP will sich aber bereits jetzt für eine Stärkung der bestehenden Beratungs- und Hilfsangebote vor Ort einsetzen!
Im schulischen Bereich kann auch die Integration geflüchteter Kinder und Jugendlicher nicht allein im Verantwortungsbereich der Schulen liegen, sondern bedarf immer einer gelebten gesellschaftlichen Haltung. Gerade im Bereich der schulischen Integration geflüchteter Kinder, Jugendlicher und ihrer Eltern ist das ergänzende, ehrenamtliche Engagement vom Vorlesepaten bis hin zu Mentorenprogramm daher unverzichtbar, damit Gutes gelingt. Hier Angebote und Engagierte mit den Schulen in Kontakt zu bringen, ist aus Sicht der ÖDP eine wichtige Aufgabe der Stadt, die es zu stärken gilt.

Wir setzen uns für ein inklusives, solidarisches sowie familien- und generationengerechtes Erfurt ein:

  • einen angemessenen und entwicklungsförderlichen Betreuungsschlüssel in allen Einrichtungen
  • eine Evaluation und Förderung der frühkindlichen Bildungsangebote
  • die Aufwertung der Schuleingangsuntersuchung mit angemessener Entwicklungsdiagnostik
  • eine Priorisierung der Schulsanierung im Haushaltsplan der Stadt
  • partizipative Schulentwicklungsplanung
  • sichere Schulwege für Fussgänger und Fahrradfahrer
  • BiciBus (Fahrradkolonnen von Schülerinnen und Schülern) unterstützen 
  • Inklusionshürden abbauen
  • Barrierefreies Stadtportal als Beteiligungsinstrument
  • AGG-Beratungs- und Vertrauensstelle stärken
  • Jährliche Berichtspflicht mit Entwicklungsplan
  • Barrierefreie Lieblingsplätze (am Beispiel Nürnberg)

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Fußnoten