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Sperrklauseln

Stand: November 2024

Aktueller Status

Sperrklauseln gibt es in Deutschland aktuell bei Bundestagswahlen, Landtagswahlen und in einzelnen Bundesländern bei Kommunalwahlen. Für Europawahlen gilt aktuell keine Sperrklausel. Die ÖDP hatte 2011 erfolgreich per Klage die 5%-Sperrklausel abgeschafft und eine neue 3%-Sperrklausel verhindert. Sie soll nun allerdings wieder eingeführt werden.

Faktische Sperrklausel

Ohne als Hürde festgelegte Sperrklauseln ergibt sich die faktische Sperrklausel. Diese ist sowohl von der Anzahl der Sitze im Parlament als auch in der praktischen Anwendung vom verwendeten Auszählverfahren bzw. Sitzzuteilungsverfahren und den Wahlergebnissen der Parteien abhängig.

Die grobe Faustregel für einen ersten Sitz lautet: 100% / Anzahl der Sitze * 0,5.

Für den Thüringer Landtag: 100% / 88 * 0,5 = 0,57%

Weitere Sitze: Für einen zweiten Sitz ist dann der Faktor 0,5 durch 1,5 zu ersetzen, für den dritten Sitz durch 2,5, usw..

Bedeutung der Sperrklausel

Bei der Sperrklausel handelt es sich um eine bewusste Einschränkung verfassungsmäßiger Prinzipien, insbesondere des Prinzips der Chancengleichheit der Parteien.

Die Sperrklausel ist also von Hause aus undemokratisch.

Der verantwortliche Gesetzgeber setzt sich ausschließlich aus Vertretern der etablierten Parteien zusammen. Die unmittelbar betroffenen kleineren Parteien, also deren Mitbewerber, können sich in Angelegenheiten der Wahlgesetzgebung grundsätzlich nur auf dem juristischen Weg wehren und hierüber versuchen ihre Interessen durchzusetzen, was nicht einfach ist.

Begründung für die Sperrklausel

Offizieller Grund

Die 5%-Sperrklausel soll bei bzw. nach Bundes- und Landtagswahlen die Bildung von stabilen Mehrheitsregierungen erleichtern bzw. sicherstellen.

Inoffizielle Gründe und Argumente

Es soll die Stimmenzersplitterung verhindert werden. D.h., dass Wählerinnen und Wähler mit dme Argument der "verschenkten Stimme" zum taktischen Wählen gedrängt werden sollen. Damit dient die Sperrklausel nicht der Demokratie. Sie stärkt in diesem Zusammenhang lediglich die Position und dei Interessen der großen Parteien.

Es sollen Extremisten in den Parlamenten und die Entstehung "Weimarer Verhältnisse" verhindert werden. Alleine kleinere Parteien für die Entwicklung in der Weimarer Republik verantwortlich zu machen, ist eine zumindest sehr einseitige Auslegung der Geschichte. Hier wird insbesondere auch die hohe Verantwortung der SPD für diese Entwicklung außer Acht gelassen.

Realität

Minderheitsregierungen

In Deutschland gab es bisher folgende Minderheitsregierungen, kurze Phasen weniger Monate von Minderheitsregierungen ausgenommen:

  • 1998 - 2002: Landtag von Sachsen-Anhalt
  • 2010 - 2013: Landtag Nordrhein-Westfalen, führte zu vorzeitigen Neuwahlen
  • 2019 - 2024: Thüringer Landtag, führte fast zu vorzeitigen Neuwahlen

Nach den Landtagswahlen am 1. September 2024 zeichnen sich aktuell folgende Minderheitsregierungen ab:

  • 2024 - : Sächsischer Landtag
  • 2024 - : Thüringer Landtag

Eine Zunahme der Häufigkeit von Minderheitsregierungen ist erkennbar.

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Minderheitsregierung

Extremisten (und Populisten)

Die offizielle bzw. inoffizielle Einordnung von AfD und BSW als extremistsiche Parteien wollen wir an dieser Stelle nicht kommentieren. Zumindest als stark populistisch agierende Parteien sind sie jedoch leicht erkennbar. Deren Aufstieg zu sogenannten etablierten Parteien hat die 5%-Sperrklausel nicht verhindert. Diesen Aufstieg haben diese beiden Parteien sehr stark auch dem Verhalten der anderen etablierten Parteien und einer starken Präsenz in den Medien zu verdanken.

Vergrößerung der Parteienlandschaft

Vom Bundeswahlleiter bzw. der Bundeswahlleiterin werden im Zusammenhang mit Wahlantritten grundsätzlich alle Parteien als solche anerkannt, welche in den zurückliegenden sechs Jahren entweder an einer Bundestagswahl oder zumindest an einer Landtagswahl mit zugelassenen Wahlvorschlägen teilgenommen haben. Die Zahl der betreffenden Parteien hat die letzten Jahrzehnte zugenommen. Aktuell haben etwa 90 Parteien diesen Status.

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_politischen_Parteien_in_Deutschland

Zunahme der Anzahl etablierter Parteien

Vor 1990 hat sich in der damaligen BRD lediglich die Partei Die Grünen neu bzw. zusätzlich etablieren können. Seit 1990 ist die heutige Partei Die Linke eine etablierte Partei in der BRD. Um und nach 1990 hatten diesen Status kurzzeitig unter anderem die Piratenpartei und heute sehr unbedeutende rechtspopulistische bis rechtsextreme Parteien.

Seit 2008 hat die Partei Freie Wähler diesen Status.

Seit etwa 2013/2014 hat die AfD diesen Status seit 2024 BSW.

Hatten vor 1990 fünf Parteien diesen Status, so sind es heute neun.

Hinzukommen mit SSW und Bündnis Deutschland zwei weitere Parteien in den Parlamenten, welche aktuell aus unterschiedlichen Gründen ebenfalls bei allen EU-, Bundestags- und Landtagswahlen von der Pflicht zur Sammlung von Unterstützungsunterschriften befreit sind. Für Kommunalwahlen gelten hier andere Festlungen.

Nicht grundsätzlich von der Sammlung von Unterstützungsunterschriften befreit sind die weiteren lediglich im EU-Parlament oder mit insgesamt weniger als fünf Sitzen in Landtagen vertretenen Parteien. Nimmt man diese ebenfalls hinzu, haben aktuell eigentlich 18 Parteien den Status etablierte Partei.

Zunahme der Anzahl in den Parlamenten nicht berücksichtigter Wählerstimmen

Die erhöhte Anzahl an Parteien und an etablierten Parteien führt dazu, dass gemittelt immer weniger gültige Wählerstimmen in den betreffenden Parlamenten vertreten sind. Den bisherigen Höchstwert stellt der aktuelle Landtag des Saarlandes dar. Hier sind 22,3% der gültigen Wählerstimmen nicht im Landtag vertreten. Die Abgeordenten der drei im Landtag vertretenen Parteien wurden lediglich von 47,1% der Wahlberechtigten gewählt.

Sinkende Wahlbeteiligung

Zusätzlich zur zunehmenden Anzahl an Parteien und etablierten Parteien und der Zunahae der nicht in den Parlamenten berücksichtigten gültigen Wählerstimmen ist eine sinkende Wahlbeteiligung feststellbar.

Fazit

Die Sperrklausel ist von Hause aus undemokratisch.

Der Sachverhalt, dass es in Thüringen nun bereits die zweite Minderheitsregierung in Folge geben wird, zeigt sehr deutlich auf, dass die Sperrklausel auch nicht wirkt.

Der Sachverhalt, dass immer weniger gültige Wählerstimmen in den Parlamenten vertreten sind, schadet dem Vertrauen in die Parlamentarische Demokratie.

Die Sperrklausel schadet also mehr, als sie nützt. Denn ohne Sperrklausel gäbe es vermutlich eine Mehrheitsregierung in Thüringen und zudem keine Sperrminorität für die AfD.

Damit sind die mit der Sperrklausel verbundenen bewussten Einschränkungen verfassungsmäßiger Prinzipien nicht zu rechtfertigen.

Die einzige vertretbare Alternative zur vollständigen Abschaffung der Sperrklauseln wäre eine deutliche Absenkung auf die Hürden bezüglich Parteienfinanzierung. Für Europawahlen und Bundestagswahlen würde dies eine Sperrklausel von 0,5% bedeuten, für Landtagswahlen von 1,0%.