Unterstützungsunterschriften
Die Geißel der kleineren Parteien und deren ehrenamtlich aktiver Mitglieder
Mit der Sammlung von Unterstützungsunterschriften für deren Wahlvorschläge sollen Parteien die Ernsthaftigkeit der Wahlvorschläge nachweisen. Dieser Nachweis muss, solange keine Befreiung auf Grund dafür notwendiger Mandate gegeben ist, bei jedem Wahlantritt aufs Neue erbracht werden.
Das Sammeln der Unterstützungsunterschriften frist enorme Personalressourcen bei den betroffenen kleineren Parteien. Während diese ihre Freizeit mit dem Sammeln der Unterschriften verbringen, können andere Parteiein schon längst ihre Energie für den eigentlichen Wahlantritt und Wahlkampf verwenden.
Vergleich der Unterschriften-Quoren
für den Freistaat Thüringen betrachtet
Wahl | Quorum (Beschreibung) | Anzahl UU | Wahlberechtigte oder Einwohner im Wahlgebiet | Quorum (Anteil Wahlberechtigte oder Einwohner) |
---|---|---|---|---|
Europawahl - Bundesliste | 4.000 UU bundesweit | 4.000 | 61.963.020 (EU-Wahl 2024) | 0,0065 % |
Bundestagswahl - Landesliste | 0,1% der Wahlberechtigten, gedeckelt auf 2.000 UU | 1.708 | 1.707.726 (BTW 2021) | 0,10 % |
Bundestagswahl - Wahlkreisvorschläge | 200 UU je Wahlkreisvorschlag | 200 | 213.466 (BTW 2021) | 0,094 % |
Landtagswahl - Landesliste | 1.000 UU | 1.000 | 1.655.670 (LTW 2024) | 0,060 % |
Landtagswahl - Wahlkreisvorschläge | 250 UU je Wahlkreisvorschlag | 250 | 37.629 (LTW 2024) | 0,66 % |
Kreistagswahl / Landratswahl - Parteibewerber | 4x Anzahl Sitze im Kreistag, Amtseintragung | 160 bis 200 | 56.434 bis 159.201 (31.12.2023) | 0,13 bis 0,28 % (Wartburgkreis bis Landkreis Sonneberg) |
Landratswahl - Einzelbewerber | 5x Anzahl Sitze im Kreistag, freie Sammlung | 200 bis 250 | 56.434 bis 159.201 (31.12.2023) | 0,16 bis 0,5 % (Wartburgkreis bis Landkreis Sonneberg) |
Gemeinderatswahl /Bürgermeisterwahl Parteibewerber | 4x Anzahl Sitze im Gemeinderat, Amtseintragung | 24 bis 200 | 33 bis 215.675 (31.12.2023) | 0,093 bis 72,73 % (Erfurt bis Kleinbockedra) |
Gemeinderatswahl /Bürgermeisterwahl Einzelbewerber | 5x Anzahl Sitze im Gemeinderat, freie Sammlung | 30 bis 250 | 33 bis 215.675 (31.12.2023) | 0,12 bis 90,9 % (Erfurt bis Kleinbockedra) |
Für Kommunalwahlen sind die Einwohnerzahlen angegeben, für alle anderen Wahlen die Anzahl der Wahlberechtigten.
Bei Wahlkreisvorschlägen sind die Angaben gemäß der jeweiligen Anzahl der Wahlkreise (BTW: 8, LTW: 44) gemittelt.
Mit Fettschrift sind vergleichsweise sehr hohe Quoren hervorgehoben.
Allgemeine Mängel
Es stellt sich die Frage, warum bei jeder Wahl erneut die Unterstützungsunterschriften zu sammeln sind.
Man könnte, je Wahlvorschlag separat betrachtet, generell Parteien, welche zu den letzten Wahlen mit ihrem Wahlvorschlag zugelassen wahren, auch für die anstehende Wahl von der Pflicht zur Sammlung der UU befreien.
Man könnte generell auch alle diejenigen Parteien, welche im EU-Parlament vertreten sind, von der Pflicht zur Sammlung von Unterstützungsunterschriften befreien.
Mängel bezüglich Europawahl
Es ist unlogisch und ungerecht, dass bereits regulär im Europäischen Parlament vertretene Parteien bei der nächsten Europawahl wieder Unterstützungsunterschriften sammeln müssen. Dies betrifft die kleineren Parteien, welche noch nicht insgesamt fünf Abgeordente im Europäischen Parlament, Bundestag oder in Landtagen aufweisen können.
Mängel bezüglich Bundestagswahlen
Die Anzahl zu sammelnder Unterstützungsunterschriften für Landeslisten sollte auch bei Bundestagswahlen auf 1.000 UU gedeckelt sein.
Das aktuelle bzw. neue Bundeswahlgesetz erfordert eigentlich den Verzicht auf Unterstützungsunterschriften für Wahlkreisvorschläge, da diese nur dann zugelassen werden können, wenn auch die Landesliste zugelassen wurde bzw. ist. Damit ist aktuell letztendlich für Wahlkreisvorschläge von Parteien eine doppelte Pflicht zur Sammlung von UU gegeben. Diese neue Regelung bedeutet auch eine verfassungswidrige enorme Bevorteilung von Einzelbewerbern gegenüber Parteibewerbern.
Es fehlen Festlegungen für reduzierte Anzahlen an zu sammelnden Unterstützungsunterschriften im Falle von vorzeitigen Neuwahlen.
Mängel bezüglich Landtagswahlen in Thüringen
250 Unterstützungsunterschriften für Wahlkreisvorschläge ist mit deutlichem Abstand der höchste Wert im Vergleich der Bundesländer. In den meisten anderen Bundesländern sind hierfür lediglich 100 UU zu sammeln. (Hier ist zu beachten, dass das Saarland lediglich drei, jedoch sehr große, Wahlkreise hat.)
Es fehlen Festlegungen für reduzierte Anzahlen an zu sammelnden Unterstützungsunterschriften im Falle von vorzeitigen Neuwahlen.
(Bayern und Rheinland-Pfalz haben hier generell sehr spezielle Regelungen, welche auf Bezirksstrukturen beruhen. Für die drei Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg gilt ähnliches, da es sich bei deren Landesparlamenten auch um Kommunalparlamente handelt.)
Mängel bezüglich Kommunalwahlen in Thüringen
Gesetzliche Regelungen für kleinste Gemeinden nicht anwendbar
In den kleinsten Gemeinden Thüringens ist es für kleinere Parteien, welche Unterstützungsunterschriften sammeln müssen, praktisch nicht möglich Wahlvorschläge aufzustellen, da für den Wahlvorschlag weiterhin 10 Unterschriften von Unterzeichnern benötigt werden und weil Bewerber weder unterzeichnen noch unterschreiben dürfen.
Amtseintragung ist extreme Erschwernis im Vergleich zur freien Sammlung
Die Amtseintragung - die Unterstützungsunterschrift muss hier im Rathaus geleistet werden - erschwert die Sammlung erfahrungsgemäß um ein Vielfaches. Dass Einzelbewerber in freier Sammlung lediglich ein Viertel mehr an Unterstützungsunterschriften sammeln müssen, ist deshalb als große Ungerechtigkeit festzustellen. In meisten Bundesländern wurde die Amtseintragung bereits abgeschafft.
Stufige Berechnung der Anzahl zu sammelnder Unterstützungsunterschriften ist ungerecht und verfassungswidrig
Die stufige Berechnung der Anzahl zu sammelnder Unterstützungsunterschriften anhand der nicht linear zu den Einwohner- bzw. Wahlberechtigtenzahlen festgelegten Anzahl der Sitze in den Parlamenten ist ein Verstoß gegen das verfassungsmäßige Prinzip der Gleichheit der Wahl. Dies erschwert deutlich die Aufstellung von Wahlvorschlägen insbesondere im ländlichen Raum, und hier insbesondere in kleineren Gemeinden. Es wäre ein Leichtes hier die Anzahl der Wahlberechtigten für eine lineare Berechnung mit Deckelung auf max. 200 UU zu verwenden.